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Kosmische Weite und irdische Enge

Elfriede Fulda gestaltete Fenster der neuen Ehrenfelder Versöhnungskirche

Von unserem Redaktionsmitglied Hanns-Günter Grosser

Unbewußtes Leben bewegt eine Kraft, bewußtes Leben beflügelt eine Sehnsucht, den teilenden Gegensatz des Daseins aufzuheben, den gegenseitigen Kampf der Arten eingehen zu lassen, in einen Zustand allumfassender Einheit. Solche Entwicklung ist ein Stück des Weges zum Ursprung aller Dinge, von dem das Leben ausging und zu dem es zurückkehren wird. Die Sehnsucht der vergänglichen Geschöpfe nach dem Eingang ins Ewige (Gott) hat die Malerin Elfriede Fulda in dem größeren der beiden neuen Fenster der Versöhnungskirche in Köln-Ehrenfeld gestaltet. (Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete bereits über die eigenwillige Architektur der neuen Kirche ausführlich.) Allbestimmend strahlt das kreisförmige Gebilde. Seine Krone, die von gelb blitzenden und rötlich glühenden Glasbrocken eingefaßt wird, versinnbildlicht den allerfassenden göttlichen Geist, den Ursprung und das Ziel allen Lebens. Ruhe und Bewegung erblickt der Betrachter auf dem Kirchenfenster gestaltet. Die Ruhe des Ewigen und die Bewegung des Vergänglichen. Wie eine Sonne strahlt das Sinnbild des Göttlichen in geraden Linien in die geschöpfte Welt. Nur wenige Farben, und diese spärlich, hat die Künstlerin in diesem Bereich verwendet. Das durchsichtige Glas läßt das natürliche Licht wirken und steigert die dynamische Kraft der ausstrahlenden Gottheit.

In die Gegensätze des Lebens gespannt, formend und geformt streben alle Arten des Lebens zur geistigen, ihnen allen gemeinsamen Mitte hin. Elfriede Fulda beginnt hier auf der großen Fläche des Fensters (9 Meter mal 8 Meter) zu erzählen, wobei sie naturalistische, kubistische und abstrakte Stilelemente verwertet. Der Betrachter sieht den Menschen, Tiere, Pflanzen, Kristalle, Gesteine und tief am Boden, von aller Bewegung zur geistigen Mitte hin ausgeschaltet, den langgestreckten Körper eines geschuppten, schlangenartigen Lebewesens als dem Symbol für die Sünde. Stimmungen aus grau-bläulich-schwärzlichen Farbtönen verdüstern sich nach unten hin und verbreiten lichtloses Schwarz dort, wo die Schlange liegt. Aus der Schau der unmittelbaren Nähe sind auf dem zweiten Fenster, das über der Empore der Kirche steht, Tiere dieser Erde dargestellt. In starken, fast glühend zu nennenden Farben schuf Elfriede Fulda einige Motive, die auf dem Fenster wie auf einem Teppich wiederkehren. Eindrücke entstehen, voll Dichtigkeit und Leuchtkraft. Sie gleichen in der Stimmung dem Bilde eines wuchernden Strauchwerkes, in dessen Innern ein bunter Vogel sitzt. Der Betrachter sieht Glasbrocken blitzen, wenn sie die Sonnenstrahlen durchdringen, dann sieht er sie wie Edelsteine funkeln, die aus dunkler Tiefe geborgen werden. Kosmische Weite, irdische Enge, ewiger Kreislauf des Lebens, farbiges Leben des Augenblicks, der Betrachter vermag all das beim Anblick der beiden Fenster zu erleben. Erfreut stellt er es fest, und er empfindet das ernsthafte Bemühen der Künstlerin um das unerschöpfliche Thema. (9. 6. 1964)