Text der Eröffnungsrede „Elfriede Fulda (1921 – 2015)“ von Dr. Günter Henne zur Ausstellung im Evang. Verwaltungsverband Köln-Nord

Wenn Sie, meine Damen und Herren, heute in den Kölner Stadt-Anzeiger schauen, dann sehen Sie oben auf der ersten Seite den charakteristischen Titel dieser Zeitung, das Logo mit seinen „Old English“ – Frakturlettern. Der Titel wurde vor rund sechzig Jahren neu gestaltet. Der Entwurf stammt von der Kölner Malerin und Grafikerin Elfriede Fulda.

Diese Künstlerin – geboren in Köln am 30. Mai 1921 als Elfriede Müller und gestorben mit 93 Jahren 2015 in Köln – war die Zeitzeugin eines bewegten Jahrhunderts.

Sie soll schon als Zehnjährige stets Bleistift und Papier zum Skizzieren bei sich gehabt haben, wenn sie ihren Vater beim Besuch von Kunstausstellungen und Kirchen in Köln begleitete. Dazu gehörte auch die berühmt-berüchtigte Ausstellung „Entartete Kunst“,
die nach der Eröffnung durch die Kunstpäpste des damaligen Naziregimes 1937 in München bis 1941 durch einige deutsche Großstädte wanderte.
Die junge Elfriede sah sie in Köln und war von dieser Kunst begeistert!
„Was soll denn daran „entartet“ sein? soll sie ihren Vater gefragt haben.

Nach der mittleren Reife absolviert Elfriede eine kaufmännische Lehre in einer Werbeabteilung und besucht gleichzeitig Abendkurse für Aktzeichnen und Werbegrafik.
Dann studiert sie Gebrauchsgrafik an der legendären Kölner Werkschule – die hieß damals „Meisterschule des Handwerks“ -.
Ein wichtiger Lehrer war dort Heinrich Hußmann, der von der Leipziger Hochschule für Buchdruck und Kunst als Professor an die Kölner Werkschule berufen worden war.

Im zweiten Weltkrieg wird Elfriede Müller 1942 als Zeichnerin zu den Junkers-Flugzeug-werken in Dessau dienstverpflichtet.
Sie wohnt mit ihren Maler- und Zeichnerkolleginnen und –kollegen in einem Gebäude, das noch einen großen Namen besaß: Das „Bauhaus Dessau“.
Hier hatten zuvor große Geister gewirkt, die Nazideutschland verlassen mussten:
z. B. Wassilij Kandinski, Paul Klee und Oskar Schlemmer.
Sie hat mir einmal erzählt, dass damals in der Konstruktionsabteilung der Junkerswerke der passive Widerstand gegen das Naziregime spürbar war. Man beschränkte sich bei den Konstruktionsarbeiten auf das Minimum und versuchte, sich in der Freizeit mit ordentlichem Malen und Zeichnen zu beschäftigen.

Über diesen Widerstand hat ja später Carl Zuckmayer sein berühmtes Drama „Des Teufels General“ geschrieben.

Wegen zunehmender Bombenangriffe wurden die Büros und Produktionsstätten in unterirdische Stollen im Harz verlegt.
Im Harz kam es dann auch zu ersten kleinen Gruppenausstellungen mit den Kolleginnen und Kollegen in Gernrode, Werningerode und Quedlinburg.

1945 kehrt Elfriede nach Köln zurück und versucht, eine Existenz als Malerin und Grafikerin aufzubauen.
Seit 1950 ist sie immer öfter in Stuttgart, Stuttgart wird ein wichtiger Wendepunkt
in ihrem Leben: Sie nimmt 1952 am 4. Deutschen Evangelischen Kirchentag teil, sie heiratet Reinhard Fulda, beginnt ihr Studium der Malerei, Glasmalerei und Mosaikkunst an der Kunstakademie Stuttgart.
Dort lernt sie auch ihre Freundin Julie Hölzel kennen.
Die ist die Schwiegertochter des Malers Adolf Hölzel, geb.1853, der eigentlich der erste abstrakte Maler Deutschlands war, schon vor Kandinski.
Er war 1905 aus der von ihm gegründeten Malerkolonie Dachau als Professor an die Kunstakademie Stuttgart berufen worden, lehrte dort bis 1919 und starb 1934.
Zu seinen Schülern gehörten später so berühmte Maler wie Emil Nolde, Oskar Schlemmer, Willy Baumeister, Johannes Itten und Ida Kerkovius. Letztere, gestorben 1970, hat Elfriede Fulda noch persönlich gekannt.

Durch ihre Freundin Julie erhält Elfriede Zugang zu Adolf Hölzels Nachlass, studiert intensiv seine Malerei, seine Kunsttheorien, liest seine Vorlesungsmanuskripte, seine Schriften und wird so gleichsam eine „posthume“ Schülerin des großen Stuttgarter Lehrers.

Als Gebrauchsgrafikerin macht sie Illustrationen, entwirft sie Buchumschläge, Schallplatten-hüllen und Plakate.
Die großen Plakate der „Wilhelma“, dem berühmten zoologisch-botanischen Garten Stuttgarts, hängen bis heute dort und werden auch weiter im Museum angeboten.

Im Raum Köln entwirft sie für sechs evangelische Kirchen eindrucksvolle farbige Glasfenster.
Wichtige und naheliegende Beispiele: Die Philipp-Nicolai-Kirche in Mauenheim, die Versöhnungskirche in Ehrenfeld und die Christuskirche in Forsbach.

Elfriede Fulda besucht seit den 60er Jahren immer öfter Griechenland, oft lebt sie wochenlang auf der Insel Santorin.
Sie ist – wie viele Künstler – bezaubert durch die Wärme und das Licht des Südens.
Bei der Vorbereitung ihrer Materialien im Klima des Südens entdeckt Elfriede Fulda einen Trocknungseffekt, den sie künstlerisch benutzt und weiterentwickelt:
Die ersten Strukturbilder.

Vor dem Beginn des Malens erhält der Bildkarton einen Kleistergrund.
Wenn dieser rasch trocknet, entstehen Unebenheiten, Risse und Grate und Stege. –
Über die so entstandenen Strukturen lässt die Künstlerin verdünnte Ölfarben laufen.
Die Flüssigkeit sucht sich Wege durch diese Mikrogebirgslandschaft. Durch Neigen, Schräghalten und Kippen kann sie auf die Verteilung Einfluss nehmen. Pinsel und feine Spritzen werden mit eingesetzt, um Konturen entstehen zu lassen, die sich reliefartig aus der Bildebene erheben.
Zufall und künstlerische Gestaltung wirken hierbei zusammen.
Phantastische Bildlandschaften, Bildräume entstehen. Manchmal meint man Figuren oder Profile zu erkennen, wie wir es bisweilen auch beim Betrachten von Wolken am Sommerhimmel erleben.

Aus dem reichhaltigen Oeuvre der Künstler werden in dieser Ausstellung neben einzelnen Zeichnungen und Aquarellen vorwiegend diese sogenannten Strukturbilder gezeigt.
In ihnen spürt die Künstlerin in großer Experimentierfreude und Neugier den Zusammenhängen von Linie, Farbe und Rhythmus in freier Komposition nach – sicher oft geleitet von den starken Impulsen eines Adolf Hölzel – wie sie es einmal selbst gesagt hat.

Die letzten Jahre ihres Lebens waren leider getrübt durch die Folgen eines Schlaganfalls und das zunehmende Schwinden ihrer Sehkraft.

Elfriede Fulda starb im Februar 2015 in Köln.

Ihrer Tochter Angelika gebührt Dank für die Pflege ihres Nachlasses
und der Leitung dieses Hauses für die Möglichkeit dieser Ausstellung!

Das Werk Elfriede Fuldas lebt weiter.